Der Auftragshumanist
Falls Du gelegentlich über das Wort Auftragshumanist gestolpert bist, hast Du Dich vielleicht gewundert, was das sein soll. Wer ist ein Auftragshumanist und welcher Tätigkeit geht er nach?
Falls Du in meinen Inhaltsangeboten über das Wort Auftragshumanist gestolpert bist, hast Du Dich vielleicht gewundert, was das sein soll. Wer ist ein Auftragshumanist und welcher Tätigkeit geht er nach? Antworten auf diese uns weitere Fragen bietet dieser Text.
Voranstellen möchte ich, dass der Begriff Auftragshumanist für mich die reine Provokation ist. Einmal für mich, weil er mich stets erinnert, worauf es in meiner Arbeit als Culture Foresight Manager ankommt. Zum anderen adressiere ich damit die fortschreitende Entfremdung des Menschen von sich selbst. Was das mit Wirtschaft, Markt und im Besonderen mit dem Gesundheitswesen zu tun hat, erkennst Du, wenn Du häufiger diesen Newsletter liest.
Tauchen wir ein in das 14. und 15. Jahrhundert; in einer Welt, die wir heute als Renaissance kennen. In dieser Zeit erlebte der Humanismus eine Blütezeit – ein Zeitalter, in dem der Mensch, sein Potenzial und all sein Streben ins Zentrum kluger Frauen und Männer rückte. Zugegeben; es waren eher Männer, von denen wir heute noch lesen. Das darf nicht so bleiben. Wichtige Trends, Tugenden und Tatsachen zu sensibilisieren, war immer schon Aufgabe eines Humanisten.
Im Geist der Auftragshumanisten, jener gelehrten Männer und Frauen, deren Leben und Werk durch die Mäzene ihrer Zeit geformt wurden, entfaltet sich eine über Jahrhunderte marginalisierte Lebensform. Die Geschichte des Humanismus webt sich dennoch durch die Jahrhunderte, um in unserer Gegenwart erneut aufzutauchen, immer noch belächelt, als Aufruf, eine fast vergessene Lebensweise neu zu entdecken.
Stell Dir eine Welt vor, in der die Tiefe des Wissens und die Schönheit der Kunst nicht nur geschätzt, sondern als fundamentale Säulen der Gesellschaft angesehen werden.
Unter Italiens azurblauem Himmel, umgeben von der sanften Landschaft der Toskana, die Künstler und Dichter seit Jahrhunderten inspiriert, reüssierten die Auftragshumanisten. Seit Antike wurde manches vergessen und noch viel mehr verloren. Auftragshumanisten sind die Brückenbauer zwischen den Welten, die Übersetzer des verloren geglaubten, die Stimmen, die das menschliche Herz und seinen unstillbaren Durst nach Einsicht und Erkenntnis neu artikulieren.
Welt im Wandel
In einer Zeit, die von technologischen Innovationen und einer unermüdlichen Suche nach Wachstum gezeichnet ist, stehen wir vor der Herausforderung, unser eigenes Menschsein neu zu definieren. Wachstum beschreibt sich aus meiner Sicht nicht nur in materiellen Dingen, sondern auch in dem Vermögen, den Menschen bei wichtigen Entscheidungen über sich und seine Zukunft nicht zu übergehen. Immaterielle Wertangebote sind heute nicht selten digital, werden jedoch vom Menschen genutzt; selbst dann, wenn wir eine sogenannte Künstliche Intelligenz beauftragen, mithilfe von Datenmodellen eine Wirklichkeit neu zu berechnen, die in ihrer Komplexität kaum erfassbar sein dürfte.
Die Mathematisierung unserer Welt ermöglicht jene Digitalisierungsbemühungen, die eine Ökonomisierung fast aller Aspekte unseres Lebens in den Blick nimmt. Die Essenz dessen, was es bedeutet, menschlich zu sein, wird negiert. Oft hört man etwas über Veränderung und Wandel, über Transformation oder gar Disruption. Der Auftragshumanist macht Ernst mit dem Menschsein und ermahnt, deckt auf, erklärt und stellt seine Beobachtungen zur Diskussion. Dabei beteiligt er sich der Praxis des Gründegebens und Gründenehmens.
Wie bewahren wir unsere humanistischen Werte in einer Welt, die zunehmend entfremdet wirkt; von den Prinzipien, die uns als Mensch ausmachen?
Die Aufgabe der Auftragshumanisten ist es, die digitalen Codes unserer Zeit zu hinterfragen und zu entschlüsseln. Die Tendenzen der Mathematisierung müssen eingeordnet werden. Der Diskurs, den wir führen, der den normativen Kern menschlicher Werte bewahren und fördern sollte, scheint defekt. Auftragshumanisten arbeiten wie ein moderner Petrarca, Boccaccio, und Bracciolini. Wir erkennen die Tiefe und die Vielseitigkeit in einer immer komplexer werdenden Wirklichkeit.
Was sich seit dem Zeitalter der Renaissance und der darauf folgenden Aufklärung teils über Jahrhunderte hinweg entfaltete, drängt sich nun in die Kompaktheit weniger Jahre, manchmal einer Dekade. Das ist ein Zeugnis dafür, dass die Reise des Menschengeistes nicht an sein Ziel gelangt, sondern sich in immer schnelleren Spiralen der Erkenntnis emporwindet. Bisweilen erfährt die Aufklärung eine instrumentelle Umkehr. Seit den Jahren 2008, 2014 und 2020 ahnt man, was die Herausforderungen sein werden.
Mittler zwischen Renaissance und Neuer Aufklärung
Das beschreibt in etwa die Essenz des dynamischen Fortschritts, der unsere Zeit prägt. Als Auftragshumanist erkenne ich an, dass die tiefgreifenden Veränderungen, die früher Generationen in Anspruch nahmen, heute manchmal in einem Bruchteil dieser Zeit stattfinden. Wir dürfen uns im tätigen Zusammenhandeln ermahnt fühlen, diesen beschleunigten Fortschritt nicht als das Ende unserer Suche nach Wissen und Verständnis zu betrachten. Technologische Innovation ist noch kein Durchbruch. Insbesondere ein moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten muss als solcher gewollt, zunächst erkannt und immer wieder neu beschrieben werden. Moralischer Fortschritt entsteht entlang seiner Axiome, die wir im täglichen Kampf um Ressourcen oft vergessen.
In diesem Licht betrachtet, erscheinen die Dialektik der Renaissance und jene, die wir als Aufklärung bezeichnen, als nicht abgeschlossen. Die Vollendung der Aufklärung beschreibt sich als Neue Aufklärung, die sich in immer kürzeren Iterationen zeigt und falsifiziert, um gleich wieder neu – jedoch nie ganz von vorn – zu beginnen.
Durch das Verfassen von Kommentaren, die aktuelle Entwicklungen kritisch hinterfragen, und das Schreiben eigener Werke, die den humanistischen Diskurs bereichern, schaffen die Auftragshumanisten eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Ihre Tätigkeit und Beratung öffnet Türen, die mancher gar nicht sehen will. Auftragshumanisten schaffen Verständnis. Sie bleiben unbequem und stören gelegentlich das, was als normativ vereinbart gilt. Sie laden uns ein zu einer Reise, auf der wir lernen, was es bedeutet, in einer zunehmend digitalisierten Welt menschlich zu bleiben. Längst sprechen wir von einem Digitalen Humanismus.
Ich nenne diese Reise Culture Foresight. Die Disziplin der strategischen Vorausschau ist noch jung und fokussiert sich häufig auf Geschäftsmodelle, Ressourcen, Umsätze, politische Zusammenhänge. Im Unterschied zu den akademischen Disziplinen im Umfeld von Foresight, konzentriert sich die strategische Vorausschau nicht minder sorgfältig auf Domänen, die im Kontext von Unternehmen, Organisationen und Institutionen zu finden sind. Akteure dieses Spektrums wirken immer auf die Verhandlungen um eine neue Kultur zurück. Daher ist insbesondere im Gesundheitswesen ein strategisches Culture Foresight wichtig. Welche Gesundheitskultur wir in Zukunft bevorzugen, hängt stark von den professionell am Gesundheitsgeschehen Beteiligten ab; viel weniger von jenen Geschäftsmodelle, die auf Datenmodelle spekulieren und den Menschen gern an zweiter Stelle sähen. Zum Glück gibt es Auftragshumanisten, die ihre Beratung, ihre Erfahrung und andersartigen Perspektiven in den Dienst derjenigen Auftraggeber stellen, die den Menschen als solchen in Verantwortung sehen.
Wenn Du mehr über die Arbeit der Auftragshumanisten erfahren möchtest, folge dieser Rubrik oder werde Teil der NOOZ Gemeinschaft. Gelegenheit dazu erkennst Du in diesem Text. Nutze gern mein ZEITGESCHENK+, falls Du etwas ergänzen oder widersprechen möchtest. Klar ist, dass diese kurze Vorstellung des Auftragshumanisten keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben darf. Ein Versuch war es wert.