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Rezept-Tsundoku
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Rezept-Tsundoku

Nur so ein Verdacht

Rezept-Reels sind deshalb so erfolgreich, weil sie – trotz oder gerade wegen ihrer Reduktion auf das visuelle und algorithmische Wesen einer Kochanleitung – eine tiefe Sehnsucht nach Kreativität, Gemeinschaft und sinnlicher Erfahrung ansprechen. Sie spiegeln die zentralen Formen der digitalen Kultur wider.

Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität.

Die Erinnerung an das kreative Schaffen wird im Digitalen zum Symbol, das zwischen Inspiration und Reduktion schwankt. So mancher, der uns mit Gurkensalat, Airfryer-Hacks und Fusionstechniken beglückt, steht dabei allein vor der Kamera seines Smartphones. Die inszenierte Begeisterung überträgt sich selten auf den Moment, wenn sich das Ergebnis des Selbstversuchs in der eigenen Küche präsentiert. Immerhin haben wir einmal etwas anderes gemacht, als zu scrollen.

Mich beschleicht jedoch der Verdacht, den ich hiermit andeuten möchte: Viele, die sich Shorts, Reels und TikToks für später speichern, betreiben vermutlich das, was der Japaner »Tsundoku« nennt. Auch die Rezepte-Tauschbörse am Rande einer Party, bei der jeder etwas mitbringen durfte oder sollte, erinnert daran. Tsundoku beschreibt eigentlich die Angewohnheit, Bücher zu kaufen und zu sammeln, ohne sie tatsächlich zu lesen. Dann sollten wir es auch in diesem Zusammenhang so nennen: Rezept-Tsundoku.

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